Aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels sehen Pflegeinrichtungen den Handlungsbedarf auch einmal auf freie Mitarbeiter oder Personal von Zeitarbeitsfirmen zurückzugreifen. Dass dies unter anderem auch durch die jeweiligen Pflegerahmenverträge problematisch sein kann, ist hinreichend bekannt. Nunmehr gibt es auch im Hinblick auf die Umsatzsteuer ein interessantes Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
Pflegeeinrichtungen sind in der Regel gemäß § 4 Nr. 16 a‑l UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Diese Regelung sieht laut Gesetzestext im Buchstaben „k“ vor, dass eine Umsatzsteuerbefreiung auch, für die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundene Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Betreuer nach § 1896 Abs. 1 BGB bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1908i Abs. 1 i. V. m. § 1835 Abs. 3 BGB vergütet werden.
Dieser schwer zu lesenden juristischen Text meint, dass mit einer Einrichtung „mit sozialem Charakter“ eng verbundene Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Als eng verbundene Umsätze sind daher Leistungen anzusehen, die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung:
typisch und unerlässlich sind,
regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen
und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen.
Daher hatte jetzt der Europäische Gerichtshof zu entscheiden, ob die Gestellung von Personal durch Zeitarbeitsfirmen an Pflegeinrichtungen umsatzsteuerfrei ist.
Im zu entscheidenden Fall verlieh in Zeitarbeitsunternehmen im Unternehmen angestellte Pflegefachkräfte an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen. Die Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens waren organisatorisch in die jeweilige Pflegeeinrichtung eingegliedert. Sie führten die Pflegeleistungen im Auftrag dieser Einrichtungen durch und waren insoweit weisungsgebunden. Die Dienst- und Fachaufsicht über die Tätigkeiten der Leiharbeitnehmer oblag ebenfalls der betreffenden Pflegeeinrichtung.
Das Zeitarbeitsunternehmen unterwarf die Ausgangsumsätze der Umsatzsteuerbefreiung als eng verbundene Umsätze. Das Finanzamt hingegen behandelte diese Umsätze als steuerpflichtig und forderte 19% Umsatzsteuer nach, da das Zeitarbeitsunternehmen keine Einrichtung zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen betreibe, sondern einen Arbeitnehmerverleih auf Zeit.
Der Europäische Gerichtshof entschied in einem aktuellen Urteil, dass die Personalgestellung eines Zeitarbeitsunternehmens keine Einrichtung mit „sozialem Charakter“ darstellt. Die Arbeitnehmergestellung sei keine Leistung im sozialen Bereich und diene daher nicht dem Gemeinwohl. Die Personalgestellung, unabhängig davon, ob es sich dabei um anerkannte Pflegekräfte handelt, ist zweifelsohne eine umsatzsteuerpflichtige Dienstleistung.
Das Finanzamt forderte daher zu Recht die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % nach.
Frank Stannek, Steuerberater in Leimen bei Heidelberg betreut mit seiner Kanzlei erfolgreiche Unternehmer, Pflegedienste, Existenzgründer und mehr.